In einem Anfall von Enthusiasmus und
sommerlicher Experimentierfreude haben ich mir letztens gedacht:
warum sollte man nicht mal seinen Horizont erweitern und mal schauen,
was andere Pflanzenfreunde außerhalb der "Kakteenszene" so
treiben. So habe ich mich über ein verlängertes
Wochenende in den botanischen Garten Bonn begeben, wo die
Gesellschaft für fleischfressenden Pflanzen ihre alljährliche,
dreitägige Pflanzentauschbörse mit Vortragsprogramm abhielt. Auf
der sogenannten EEE (European carnivorous plant exhibition and exchange), die jedes Jahr in
einem anderen europäischen Land stattfindet, ist tatsächlich
allerhand geboten. Vor der Kulisse des malerischen Poppelsdorfer
Schlosses ist in den Gewächshäusern des botanischen Gartens ein
Pflanzenmarkt mit einer großen Vielfalt an Karnivoren von
Laiengärtnern und Profis aufgebaut, der mich auch als Anfänger auf
diesem Gebiet sofort in seinen Bann gezogen hat.
Begleitend zur Tauschbörse
gibt es eine Vortragsreihe, bei der internationale Experten der
Karnivorengesellschaft ihr Wissen über Naturstandorte, Arterhaltung
und Variationen der fleischfresseden Pflanzen mit dem interessierten
Publikum teilen. Die Vorträge in englischer Sprache finden in einem
alten Uni-Hörsaal statt, der mich stark an meine ersten Semester im
akademischen Betrieb erinnert. In dieser für mich sehr nostalgischen
Umgebung bekomme ich also einen Crashkurs über Nepenthes, Drosera,
Sarracenia, Pinguicula und co., sowie deren Naturstandorte von
südamerikanischen Tepuis bis nach Mexico und Nordamerika. Ein für
mich sehr spannender Ausflug in ein neues Forschungsgebiet, das
tatsächlich selbst noch sehr jung ist. Jedes Jahr werden auf den
Tepuis neue Heliamphora-Arten entdeckt und beschrieben Mir schwirrt bald
der Kopf von so viel neuem Wissen.
Natürlich kann ich auch das Einkaufen
nicht lassen: Ich bummle sehr entspannt über die Pflanzenbörse,
lasse mir von den geduldigen und ausnehmend freundlichen
Karnivorenfreunden Pflegetipps und Geschichten rund um die
fleischfressenden Pflanzen geben. Ich bin begeistert, wie nett und
offen die Leute auch mir Neuling gegenüber sind. Es ist ein munterer
Austausch, für den Leute aus England, den Niederlanden und
Frankreich anreisen. Selten habe ich einen so angeregten und
internationalen Austausch erlebt. Ich werde zwar auch das Ziel
einiger freundlicher Bekehrungersuche: "Carnivores are much more
exciting then cacti, they even move!". Doch meine erste Liebe
sind und bleiben die Dornengewächse...
Die schönen Gewächshäuser und
Außenanlagen des botanischen Gartens Bonn sind allerdings auch ohne
EEE eine Reise wert. Das Wahrzeichen des BoGa Bonn ist der Titanwurz
Amorphophallus titanum, dessen Blüte wir knapp verpasst haben. Mich
begeistert besonders der Seerosenteich im Victoriahaus. Eine
Gärtnerin erzählt mir, dass die riesigen Seerosen jedes Jahr neu
ausgesät werden. Was für ein Wachstum!
Neben Austausch und Wissen über
Karnivoren erfahre ich auch einiges über Versuche der Arterhaltung
von Wildformen, die an ihren Naturstandorten stark gefährdet sind.
Das gerade entstehende Projekt Ark of life bemüht sich, über
Spenden eine Sammlung reiner Arten aufzubauen, die an mehrerern
botanischen Gärten in Europa beherrbergt wird und aus der
schließlich wieder Exemplare an die Naturstandorte ausgewildert
werden sollen. Eine sehr unerstützenswerte Sache. Nach drei
spannenden Tagen reise ich voller neuer Eindrücke reise ich mit
einem Bildband von Stewart Mc Pherson und mehreren Pinguiculas und
Droseras im Gepäck wieder ab und freue mich schon auf die nächste
EEE.
Linktipps
Wer mehr Infos über fleischfressende
Pflanzen sucht, sollte sich den Blog von Francois ansehen, der sich
gerade ein beneidenswertes Gewächshaus für Karnivoren baut. Wer Nepenthes und Heliamphora bestellen möchte, dem sei die Seite von Andreas Wistuba empfohlen. Der studierte Virologe, der sich mir als
"Guerilla-Botaniker" vorstellt ( sehr sympathisch, wie ich
finde) hat bereits einige Arten von Karnivoren beschrieben und schon
mehrere Reisen an Naturstandorte unternommen. Seit mehreren Jahren
betreibt er eine Spezialgärtnerei für Karnivoren.