01.08.2012

Blick über den Tellerrand: Ein Besuch bei der Gesellschaft der Fleischfressenden Pflanzen


In einem Anfall von Enthusiasmus und sommerlicher Experimentierfreude haben ich mir letztens gedacht: warum sollte man nicht mal seinen Horizont erweitern und mal schauen, was andere Pflanzenfreunde außerhalb der "Kakteenszene" so treiben. So habe ich mich über ein verlängertes Wochenende in den botanischen Garten Bonn begeben, wo die Gesellschaft für fleischfressenden Pflanzen ihre alljährliche, dreitägige Pflanzentauschbörse mit Vortragsprogramm abhielt. Auf der sogenannten EEE (European carnivorous plant exhibition and exchange), die jedes Jahr in einem anderen europäischen  Land stattfindet, ist tatsächlich allerhand geboten. Vor der Kulisse des malerischen Poppelsdorfer Schlosses ist in den Gewächshäusern des botanischen Gartens ein Pflanzenmarkt mit einer großen Vielfalt an Karnivoren von Laiengärtnern und Profis aufgebaut, der mich auch als Anfänger auf diesem Gebiet sofort in seinen Bann gezogen hat.


Begleitend zur Tauschbörse gibt es eine Vortragsreihe, bei der internationale Experten der Karnivorengesellschaft ihr Wissen über Naturstandorte, Arterhaltung und Variationen der fleischfresseden Pflanzen mit dem interessierten Publikum teilen. Die Vorträge in englischer Sprache finden in einem alten Uni-Hörsaal statt, der mich stark an meine ersten Semester im akademischen Betrieb erinnert. In dieser für mich sehr nostalgischen Umgebung bekomme ich also einen Crashkurs über Nepenthes, Drosera, Sarracenia, Pinguicula und co., sowie deren Naturstandorte von südamerikanischen Tepuis bis nach Mexico und Nordamerika. Ein für mich sehr spannender Ausflug in ein neues Forschungsgebiet, das tatsächlich selbst noch sehr jung ist. Jedes Jahr werden auf den Tepuis neue Heliamphora-Arten entdeckt und beschrieben Mir schwirrt bald der Kopf von so viel neuem Wissen.
 


 
Natürlich kann ich auch das Einkaufen nicht lassen: Ich bummle sehr entspannt über die Pflanzenbörse, lasse mir von den geduldigen und ausnehmend freundlichen Karnivorenfreunden Pflegetipps und Geschichten rund um die fleischfressenden Pflanzen geben. Ich bin begeistert, wie nett und offen die Leute auch mir Neuling gegenüber sind. Es ist ein munterer Austausch, für den Leute aus England, den Niederlanden und Frankreich anreisen. Selten habe ich einen so angeregten und internationalen Austausch erlebt. Ich werde zwar auch das Ziel einiger freundlicher Bekehrungersuche: "Carnivores are much more exciting then cacti, they even move!". Doch meine erste Liebe sind und bleiben die Dornengewächse...
  Die schönen Gewächshäuser und Außenanlagen des botanischen Gartens Bonn sind allerdings auch ohne EEE eine Reise wert. Das Wahrzeichen des BoGa Bonn ist der Titanwurz Amorphophallus titanum, dessen Blüte wir knapp verpasst haben. Mich begeistert besonders der Seerosenteich im Victoriahaus. Eine Gärtnerin erzählt mir, dass die riesigen Seerosen jedes Jahr neu ausgesät werden. Was für ein Wachstum!

 
Neben Austausch und Wissen über Karnivoren erfahre ich auch einiges über Versuche der Arterhaltung von Wildformen, die an ihren Naturstandorten stark gefährdet sind. Das gerade entstehende Projekt Ark of life bemüht sich, über Spenden eine Sammlung reiner Arten aufzubauen, die an mehrerern botanischen Gärten in Europa beherrbergt wird und aus der schließlich wieder Exemplare an die Naturstandorte ausgewildert werden sollen. Eine sehr unerstützenswerte Sache. Nach drei spannenden Tagen reise ich voller neuer Eindrücke reise ich mit einem Bildband von Stewart Mc Pherson und mehreren Pinguiculas und Droseras im Gepäck wieder ab und freue mich schon auf die nächste EEE.

 
Linktipps

Wer mehr Infos über fleischfressende Pflanzen sucht, sollte sich den Blog von Francois ansehen, der sich gerade ein beneidenswertes Gewächshaus für Karnivoren baut. Wer Nepenthes und Heliamphora bestellen möchte, dem sei die Seite von Andreas Wistuba empfohlen. Der studierte Virologe, der sich mir als "Guerilla-Botaniker" vorstellt ( sehr sympathisch, wie ich finde) hat bereits einige Arten von Karnivoren beschrieben und schon mehrere Reisen an Naturstandorte unternommen. Seit mehreren Jahren betreibt er eine Spezialgärtnerei für Karnivoren.